Freitag, Oktober 28, 2005

meine Herbstferien


Wie, was, Herbstferien??? Tja, auch ich darf mir hier so etwas gönnen. Nur, dass das weder etwas zu tun hat mit solch kapitalistischen Dingen wie dem Weltspartag oder der Umstellung der Uhren auf Winterzeit, noch mit solch christlich-ökumenischen Auswüchsen wie Reformations- bzw. Rebellionstag oder Allerheillgenseelen. Aber religiös-ideologisch angehaucht sind meine Herbstferien hier auch, denn die Türkei will ja ein europaeisches Land sein, und dass diese Frage mal aufkommt, das wusste Mustafa Kemal Paşa, genannt Atatürk schon 1922 und ein anderer Umstürzler namens Muhammad sogar 1300 Jahre vorher.
So kommt es nun, dass der Tag der Ausrufung der Türkischen Republik (Türkiye Cumhuriyeti; s. o. das Atatürk-Denkmal am Taksim Platz in İstanbul) und die Feierlichkeiten zum Fest des Fastenbrechens (Ramazan Bayramı) dieses Jahr in die gleiche Woche fallen. (Allerdings nur dieses Jahr, denn Muhammad war noch nicht ganz so europaeisch eingestellt und legte seinem Islam einen Mondkalender zugrunde, so dass sich die Feierdaten von Jahr zu Jahr aendern. Offizielles Ende der islamischen Zeitrechnung in der Türkei war i. Ü. 1924.) Am Samstag ist also Tag der Republik und ab Donnerstag dann drei Tage Ramazan Bayramı, welches allerdings generell im familiaeren Rahmen gefeiert wird - in etwa wie bei uns Weihnachten: gemeisam feiern, essen und Geschenke schenken und die Verwandtschaft besuchen. Und weil die türkische Fertilitaetsrate doch ziemlich hoch ist, sind die Familien grösser und man braucht drei freie Tage um alle Verwandten zu besuchen.

Wie auch immer. Habe mit einigen Erasmen einen kleinen Trip organisiert. Am Samstag gehts mit dem Schiff übers Marmarameer nach Yalova bzw. mit dem Bus nach Bursa. Am Sonntag dann mit dem sechs-Stunden Überlandbus nach İzmir, wo wir sechs Naechte bleiben und tagsüber Ausflüge nach Pergamon und Ephesos sowıe ans Meer nach Foça und Çeşme machen werden. Davon berichte ich dann nach meiner Rückkehr am 5. November.

Vielleicht nochmal ein weing Religiöses. Hatte diese Woche in der Stockwerksküche das unangenehme Gefühl, damals im Religionsunterricht nicht ausreichend aufgepasst zu haben. Da sitzt man nichts Böses ahnend am Tisch zusammen mit sechs Muselmanen, schlüft die sechste Schwarzteetasse, und sieht sich kurz darauf konfroniert mit den Fragen, die unter unglaeubligen Naeglen brennen: Wie ist das jetzt mit Eurem Jesus? Wie Gott und Mensch in einem? Was soll das denn sein, der Heilige Geist? Also doch drei Götter? Warum glaubt ihr nicht an den Koran? Wieso habt ihr vier Bücher? Wenn überall was anderes drin steht, welches stimmt denn dann? Welches gefaellt Dir am besten? Warum gibts denn Katholiken, Protestanten und Orthodoxe? Worin liegen denn die Unterschiede? Wie ist das mit dem Papst?

Jaja, wird der Eine sagen, gut dass Du das Kompendium des Katholischen Katechismus mitgenommen hast (nochmals çok sağol, Alex!) - aber jetzt übersetzt mal das, was das Büro Ratzinger/ Benedıkt XVI. da veröffentlicht hat in verstaendliches Englisch oder gar Türkisch?!
Kurzum: ich bezweifle, dass ich meiner christlichen Missionspflicht in überzeugendem Masse nachgekommen bin, verspreche baldigste Beserung und verbleibe schliesslich

mit den allerbesten Grüssen an die Gemeinde

Novize Ludwig

Mittwoch, Oktober 19, 2005

Nix passiert


Eigentlich ist nichts besonders erwaehnenswertes waehrend der vergangenen Woche geschehen - abgesehen davon, dass ich auf dem besten Wege bin 1. mich offiziell in der Türkei aufhalten zu dürfen und 2. mich winterfest zu machen, weil das Wetter maritim wechselhaft geworden ist. Da es auch schwierig ist, von nchts ein Foto zu machen, habe ich beschlossen, die Geburtstagsfotos zu entfernen und ein paar Bilder von meinem Zimmer, dem Wohnheim (s. o.) und der Uni reinzusetzen.

Selamlar von
Ludwig Paşa

Mittwoch, Oktober 12, 2005

Bayramin -

- mein Fescht! Diejenigen, die mir fristgerecht oder zumindest in einem temporaer anstaendigen Rahmen zu meinem Geburtstag gratuliert haben, gilt an dieser dominanten Stelle mein allerherzlichster Dank. Alle anderen hole der Teufel, packe sie an ihrer Vergesslichkeit und werfe sie ins Fegefeuer. Aber wahrscheinlich lesen die meine Eintraege auch nicht. Saubande.

What happened? Wie auf meiner Foto-Seite zu sehen ist und in meiner Dankesmail auch zu lesen war, habe ich zusammen mit Dennis, einem MitErasmusler aus Konstanz meinen Geburtstag gefeiert (Dennis hatte am Mittwoch seinen 25sten). Wir organisierten für unsere ca. 30 Mitstudenten ein Abendessen, bestehend aus Championsuppe, zahlreichen türkischen Salaten, Hühnchenfilets und Köfte (Fleischbaellchen), Reis, Pommes und mit Schafskaese gefüllte Blaetterteigrollen, Weintrauben, Honigmelone, Aepfel und Birnen, sowie Çay (Tee) und Ayran. Das ganze kam aus einer kleinen türkischen Küche, zubereitet von einer kleinen herzigen Frau in der kleinen, pittoresken "Französischen Passage" neben unserem Wohnheim.
Unsere Freunde überraschten uns dann auch noch mit einer extrem guten Schokotorte und einem Teller süsser Schweinereien aus einer Patisserie - beides vom Typ "20 Sekunden im Munde, 20 Jahre auf der Hüfte". Ich hoffe, die wenigen Bilder können einen Eindruck von der Schönheit des Abends vermitteln.

Bleibt die berechtigte Frage nach dem Geburtstagsalkohol. Nun, abgesehen davon, dass noch zweieinhalb Liter Geburtstags-Rakı auf ihre Vernichtung warten (nein, nicht die 2,5l-möglichst-günstig-Hauptsach'-dicht-Plastigflsche, sondern zwei grosse und eine kleine Flasche feinster Yeni-Rakı!), gabs erst nach dem Essen was Richtiges zum Trinken.
Denn der geneigte Istanbulreisende muss an dieser Stelle wissen, dass Alkohol in der Türkei zwar erhaeltlich ist, nicht jedoch zu den ubiquitaeren Lebensmitteln gehört. So wird "Allool" nur in jeder zweiten Kneipe ausgeschenkt, in jedem zweiten Geschaeft verkauft, ist nur in jedem zweiten Viertel erhaeltlich und wird nur von jedem zweiten Menschen getrunken.
Auslaendische Studenten sind von der Zaehlung natürlich ausgenommen. Ergo gings nach dem Essen ins mondaene Beyoğlu auf einszweidrei Bier und einszweidrei Rakı und, weil man um halb zwei ja immer noch nicht genug hat, dann noch zu Julien, dem Politik-Kollegen aus Rennes, auf einszweidrei Flaschen Weisswein. Immerhin konnte ich zwischen sechs und acht Uhr gut "in den Geburtstag" hineinschlafen. Um neun dann "erfrischt" und ein Jahr aelter in die Uni. Was sonst an dem Tag passierte, weiss ich nicht mehr, denn ich war wohl zu müde um irgendwas wahrzunehmen (abgesehen von der Tatsache, dass in Early Ottoman History ein Test geschrieben wurde und mein Handy endlich freigeschalten wurde - Nummer gibts per eMail).
Abends gabs dann Resteverzehren im Wohnheim und gegen halb elf fiel ich in die Federn.

Wenngleich Ihr alle mir "nur" postalisch gratulieren und leider nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen konntet, so seid Euch jedenfalls eines gewiss: in Gedanken seid Ihr alle immer bei mir! Mit einer Traene im Auge zwinkert Euch Eurer

Ludwig Paşa zu.

Donnerstag, Oktober 06, 2005

Ramazan

Schluss mit Essen! Seit gestern ist Fastenzeit, Ramadan (oder Ramazan, wie die Türken sagen, denn das Wort, aus dem Arabischen kommend, hat ein d, das sehr weich gesprochen wird; und der türkische Lingual-Pragmatismus machte gleich ein z draus). Das heisst: Aufstehen und grosses Frühstück vor Sonnenaufgang, tagsüber weder Essen noch Trinken, weder Rauchen noch Sex. Stattdessen viermal beten und des Abends, wenn die Sonne darnieder sinkt, ein fünftes Gebet und dann ein ausgedehntes Dinner.

Hier in İstanbul bzw. in den Stadtvierteln, in denen ich bin, allerdinds merkt man davon nicht viel. Die Leute essen und trinken immer noch auf der Strasse, die Geschaefte haben ganz normal auf, der Ruf des Muezzins wird weiter ignoriert. Allerdings scheinen viele (auch viele Bilgi-Studenten) das Fastgebot doch ernstzunehmen. Von den Sesamkringel (simit), die das Wohnheim jeden Morgen als Frühstück in die Stockwerksküchen bringen laesst, sah man bislang nach neun Uhr immer nur einen erbaermlichen Rest. Seit gestern bleibt aber mehr übrig. Dafür bricht die Küche am Abendaber fast auseinander vor Menschen weil alle gleichzeitig kochen und ihren Hunger stillen wollen. Warum sie nun fasten, nicht aber in die Moschee gehen - das weiss vielleicht nur Allah allein. Jedenfalls geht dieser Frage nun mal nach

Euer
Ludwig Paşa

Montag, Oktober 03, 2005

Kommentare

Muss eine kleine Anmerkung machen! Wie nun schon das zweite Mal geschehen, wird mein Blog für Werbung benutzt, indem jemand irgendeinen Kommentar setzt, der nachher von Euch gelesen werden soll. Leider kann ich als Blogger diese Kommentare nicht löschen. Ergo bleibt mir nur eine Bitte: entweder diejenigen, die mir einen Kommentar schicken wollen, melden sich bei Blogger.com an (wo und wie weiss ich nicht), oder Ihr schickt mir eine Mail mit Interessensbekundung bis spaetestens Sonntag. Dann kann ich Eure eMail-Adresse auf eine Liste Kommentar-berechtigter Personen setzten. Wer auch das nicht will, kann mir natürlich immer eine eMail an meine bekannten Adressen schicken.

Danke für die Aufmerksamkeit
Ludwig

Sonntag, Oktober 02, 2005

erste Uniwoche


Merhaba zusammen!

Hoffe Euch geht es blendend und Ihr geniesst wahlweise den Herbst in München, Ingolstadt, Tirol, Feldafing und vielerorts und das letzte Wiesnwochenende sowie gleichsam die Peinlichkeiten der deutschen Politikerklasse wie ihrer Kollegen im sonst immer so neutral-diplomatischen Österreich.

Meine erste Uniwoche ist vorbei und laeuft unter der Überschrift Kontinuitaet und Wandel. Kontinunitaet weil auch in der Türkei die erste Uniwoche quasi nicht stattfindet. Wenn die erste Stunde nicht ganz ausfaellt (was man erst vor der Zimmertür feststellt), dann beginnt sie erst verspaetet und dauert nur etwa 25 Minuten statt der eingeplanten 3 Stunden. Dann gibt es Infos darüber, dass der Syllabus im Internet, die Literatur im Copyshop gegenüber und die staendige Anwesenheit empfehlenswert ist. Weil man dann mit dem Thema nicht mehr anfangen will, verschiebt man den eigentlichen Start auf naechste Woche. Die urplötzlich freigewordenen zwei Interrimsstunden werden dann mittels ausgedehnter Kaffee- oder besser Tee-Sessions überbrückt oder man faehrt mit dem Bus den halbstündigen Hinweg frustriert zurück.
Wandel gabs hingegen insoweit, als dass die Stunden nicht wie angekündig ausschliesslich auf Englisch stattfinden sollten. Obwohl die Uni zwar Englisch als Unterrichtssprache propagiert (und sich dabei auch mit Ruhm bekleckern möchte), finden manche Kurse dann doch ganz oder zum Teil auf Türkisch statt, meist mit dem Hinweis darauf, dass die türkischen Studenten sonst nicht aufpassen, nix lernen oder sich nicht beteiligen würden. Bei mir betrifft das nun die Kurse „Turkish Politics“ und „Global Terrorism“. Dafür finden „Early Ottoman History“ und „Middle East Politics“ auf Englisch statt. Mal sehen wie's also weiter, wenns mal so richtig los geht.

Grad hats denn kitschigsten Himmel, denn ich je gesehen habe. Hat es den ganzen Tag geregnet (was sich negativ erstens auf den für heute angesetzten Eurasischen Marathon und zweitens auf Maxens und meinen Sonntagsspaziergang am Bosporus entlang ausgewirkt hat – wir flüchteten dann auf einen übersichtlichen 12 Euro Eisbecher in den Cırağan Palast, der heute das Kempisky Hotel beherbergt (s. Foto)), so taucht die Abendsonne den Himmel nun in rosa-rot-orange-gelb, laesst die Minarette gold glaenzen, reflektiert sich im Meer und produziert zudem noch nen Regensbogen, der sich über den Bosporus spannt. Schaut Petrus regelmaessig Bob Ross auf BR Alpha? Mit meinem Pinsel signiert

Ludwig Paşa