Sonntag, März 12, 2006

Was ist passiert?


Was passiert ist? Nun, irgendwie nicht viel - was wohl auch der Grund für meine längere Schreibabstinenz gewesen sein muss. Während Mitteleuropa im Schnee versank, gings hier mediterran-wechselhaft weiter - zum Leidwesen so mancher Gesundheit (nach Sinans und anderer Nasen läuft jetzt auch meine) und auf Kosten des Istanbuler Erlebnispotenzials. Anders ausgedrückt: hab das Wetter genutzt und bin in die Uni gegangen statt Sightseeing-Lücken zu schließen. Somit heißt's also nun wieder Horizonterweiterung, und diesmal ganz im Zeichen der Türkei: jeweils ein Kurs zur Geschichte, zur Politik, zur Kultur und Gesellschaft und zur Sprache werden von mir besucht und handeln allesamt durchwegs interessante Sujets ab. Man darf gespannt sein! (Obgleich der Frühlingsvorspann schon hat anmerken lassen, dass er den Kampf mit der Uni-Attendance aufnehmen möchte...)

Jedenfalls hat das Semester nicht nur neue Kurse sondern auch neue Erasmen gebracht - und Europa hat dabei einen Ruck nach Nordost gemacht: die deutsche Dominanz des letzten Terms wurde gebrochen von vier Tschechen, zwei Polinnen und einer Russin. Die vierköpfige portugiesische Fraktion wurde auf zwei Köpfe reduziert, die Schwedin Maria wurde gleich durch drei Landsfrauen ersetzt und mit Zarife kam eine türkische Holländerin. Außerdem hat mein Dorm-Stockwerk Zuwachs von zwei Griechen erhalten. Schließlich also bin ich (mit Nesrin) der einzige Almanlı im Dorm bzw. durch meine Umbennung in "Lütfü" durch die türkischen Freunde ist meine Turkifizierung eh weiter im Fortschreiten begriffen.
(Richtig kosmopolitisch gings außerdem gestern bei Juliens Geburtstagsparty zu, als sich dort zu den bereits genannten Nationalitäten noch Franzosen, Italiener, Spanier und DänenInnen gesellten. http://www.cafe-international.com/ ließ grüßen!) Mal sehen, wie sich der Gen-Pool vermischt und was alles in der zweiten Hälfte meines Aufenthalts mit mir und meiner Welt passieren wird.

Was alles passiert? Die Zeitungen, Magazine, Fernsehsender und Homepages verraten es uns heute ja fast schon ohne, dass wir es wollen. Begriffe wie Islam, Terror, Migranten, al Qaida und Irak, Kampf der Kulturen und Parallelgesellschaften, Mohammed-Karikaturen und Meinungsfreiheit, EU-Beitritt der Türkei, Kurden und Armenier, Nationalismus, Multikulturalismus und Kosmopolitismus scheinen überall zu fallen wie Domino-Steine - automatisch, unaufhaltsam und oft rücksichtslos, sind sie doch gewichtig wie Beton. Manchmal fühle ich mich als würden diese Steine nur so auf mich einprasseln, angestoßen von unbändigen Kräften - weil ich mir dieses spannende Studienfeld als Schwerpunkt ausgesucht habe; weil ich Informationen hierfür brauche, die es abzuwägen gilt um zu einer eigenen, reflektierten Meinung zu kommen; und weil doch die Ereignisse schneller passieren als ich die zuvor geschehenen reflektieren kann... Der Weisheit letzter Schluss, meinte al-Mutamid (1040 - 1095), ist, dass nur der weise ist, der nie weise ist. Die Balance finden zwischen nötiger und unnötiger Information, das Eigene finden in der sprudelnden Quelle der Meinungen erscheint mir angesichts all dessen als das Wichtigste, oder? Sich über das Gute freuen, das heute lacht, und darüber alles Vergangene vergessen. Und an das tunesische Sprichwort denken:

"Lebst Du nur unter Einäugigen, so sorge beizeiten dafür, dass auch du nur noch ein Auge hast."

Für die Aufmerksamkeit dankt
Ludwig Paşa

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Soso, gleich drei Schwedinnen sind bei euch :-) Das hört sich nach einem tollen Sommersemester an ;-)

Maksimilian

12:30 PM  

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