Freitag, Mai 05, 2006

Wechselhaft

Wechselhaft ist das Wort der Wochen, denn es trifft derzeit nämlich auf recht viel zu. Am wenigsten überraschend vielleicht: das Wetter - schlicht weg aprilig, einen Tag warm und sonnig, dann wieder kalt und regnerisch. Wenn man sich allerdings ein paar der über drei Millionen blühenden Tulpen ansieht, die das hiesige Gartenbauamt über İstanbul verstreut hat, so ermöglicht dies zumindest den kommenden, wieder gehenden, wieder kommenden Frühling erfühlen bzw. erhoffen zu können. Doch auch die Freude über allerlei von unten Sprießendes schafft es nur bedingt, die angestrengten Nerven über das von oben Kommende zu entspannen. Zwar nahm so manch feuchte Luft meiner leicht Schwarzmeersonnen-verbrannten Haut sowohl Röte wie auch Hitze, fuhr andererseits jedoch meinen Urlaubsplanungen für den Spring Break kräftig zuwider: statt wie üblich zentralanatolischen Sonnenschein vorauszusagen, hieß es für den von mir geplanten Reisezeitraum "Kappadokien - Schauer, zehn Grad" (ebenso wie im restlichen Anadolu). Hätte sich vielleicht eine Gruppe versammelt gehabt, die den Trip zu den Steindomen, Felsformationen und frühchristlichen Eremitenkirchen geplant und durchorganisiert hätte, wäre es vielleicht sogar trotz des Wetters zu der Reise gekommen. Aber auch diesbezüglich wechselte ständig die Schar begeisterungsreicher, aber finanz- oder zeitarmer Interessenten. Immerhin gings mit Nesrin auf einen Tagesausflug nach Edirne - eine nette Fahrt nach Thrakien an die bulgarische Grenze, wo die Moscheen schön und alt und die Atmosphäre ein wenig südbalkanisch scheint. Und Kappadokien: dorthin gehts nun Mitte Mai, wenn sich 6000 Studenten aus dem In- und Ausland auf Einladung und Kosten des türkischen Kultusministeriums dort begegnen sollen... Man darf schon mal gespannt sein auf das Setting und die organisatorischen Großleistungen, die es zu erbringen gelten wird!
Der Ausflug nach Edirne markierte gleichzeitig den Beginn des Besuchertanzes in den İstanbuler Mai: nach den Eltern, die vergangenes Wochenende noch einmal nach dem Rechten sahen, folgen nun Mitte Mai der Besuch von Georg, Stephan und Tom (das "Kulturprogramm" steht bereits, Jungs), und nach der Kappadokienreise werden Teyze Maxi und Enişte Hermann willkommen geheißen. Die İstanbuler Klinke wechselt kräftig die Hände.

All das wird es mir i. Ü. ein wenig schwer machen, den Blog ähnlich aktuell zu halten, wie es der geneigte Leser vielleicht gewohnt war. Zugegeben, nicht nur der Blog wird unter dem umfangreichen Programm zu leiden haben, sondern auch ein wenig die Uni-Attendance (nicht aber die dort zu erbringenden Leistungen, denn hierfür habe ich a) vorausarbeitet oder b) bereits schon die für effizient befundenden Schafsdöner ins Trockene bzw. ins Brot gebracht. Ganz im Sinne des arabischen Sinnspruchs "Wer mit Bedacht handelt, erreicht , was er erstrebt.")

Zwar wird nun mancher denken, dass mein Programm ziemlich voll ist - und, ja, es stimmt ja auch, es ist voll. Nach dem Besucherreigen heißt's lernen für die Final exams, Klausuren und schreiben der Research Papers. Dann beginnt die vierwöchige Reisezeit, die sicherlich wieder zahlreiche neue Erlebnisse, Eindrücke und Gigabytes an Fotomaterial bringen wird bevor es gegen Mitte Juli zurück nach İstanbul und am 19. Juli zurüück nach Alemanya gehen wird. Ja, ich sehe das Ende kommen (auch wenn die Reisewochen selbst noch im Nebel des Ungewissens liegen) - ein Aspekt, der auch meine Stimmung recht wechselhaft macht. Mal freut's mich, was (und jetzt natürlich auch wer) noch alles kommt - mal seh ich das Ende langsam kommen und das stimmt schon seltsam, wenn nicht gar bald traurig...
Doch birgt nicht gar das Ende erst das wichtige Potenzial genannt Zeit? Zeit zum Nach-Denken, Nach-Erzählen, Nach-Träumen nach dem Aufwachen...

"Wenn Du Dein ganzes Leben lang einsammelst, wann willst Du das Gesammelte genießen?" (Tausendundeine Nacht)

Ludwig Paşa