Mittwoch, Dezember 28, 2005

Weihnachteneujahr


Zuerst an alle, die mir die Feiertage mit Weihnachtsgrüßen versüßt haben, ein dickes Dankeschön, und ich hoffe, dass das Weihnachtsfest überall ein fröhliches und friedliches gewesen ist.
So war denn auch das meinige...

... jedoch anders als urspünglich geplant: statt zu Dennis' Familie in ihr Ferienhaus nach Dalyan bei Marmaris/ Bodrum zu fahren, entschied ich mich hier in Istanbul zu bleiben. Mit Naomi und Mert aus München, Aycin und Mark aus Berlin und der Strasburgerin Müge wäre dann Plätzchenbacken und Glühkindeling am Nachmittag des 24sten angesagt gewesen, aber die Berliner bekamen Heimweh und nen billigen Flug und alles ward wieder offen. Dann hat mir Martin aus Konstanz angeboten mit ihm und zwei türkischen Freunden zu feiern, die dann aber verhindert waren. Schlussendlich: Treffen mit Martin abends um acht am Taksim, vielleicht in eine Kirche, danach schön essen und später noch ein paar Geschenke auspacken. Hat auch alles so geklappt, wenn gleich die französische katholische Kirche Saint Antoine auf der İstiklâl Caddesi offensichtlich dann nach türkischer Liturgie abgehalten wurde mit einer Art Predigt am Anfang und ohne Einzug und nix ... Zu Martins und meiner Verwirrung gesellte sich dann noch Hunger und wir zogen schließlich die leiblichen Gelüste den geistlichen vor. Das Jesus Kindlein möge es uns verzeihen.
Es folgten: Obligatorisches Ausschlafen wenngleich ohne morgendlichem Im-Bademantel-unterm-Christbaum-nochmal-die-Geschenke-anschauen, dafür recht viel staade Zeit am erstenund zweiten Weihnachtsfeiertag, wobei letzterer seinen Abschluss wieder in der Saint Antoine fand, wo die Klänge von Bachs Weihnachtsoratorium genossen werden wollten. Bin mit Martin, Noyan, Naomi und Müge dorthin und fühlte trotz der Menschenmenge in der Kirche einen weiteren Hauch von Weihnachten.

Auch wenn ich also leider nicht bei und mit den Lieben zuhause feiern konnte, können, glaube ich, die neuen Fotos doch ein Bild davon abgeben, dass es möglich ist in Istanbul ein wenig Weihnachten zu fühlen, Wärme zu spüren, mit Licht das winterliche Dunkel zu vertreiben.
Dem zu Gute kommt der Umstand, dass in Istanbul die Regel gilt: nach Weihnachten gleich vor Weihnachten!
Wie bereits geschrieben, stellen die Türken für yılbaşı (Neujahr) ihre Christbäume auf und lassen den Noel Baba kommen, der den Kindern die Geschenke bringt. All das führt bspw. im vornehmen Stadtteil Nışantası aber auch am Taksim und in Beyoğlu zu weihnachtlich illuminierten Einkaufsstraßen, Weihnachtsdeko in den Geschäften und großen Rabattaktionen nach dem Fest. ... Also dem Neujahrsfest ... das heißt also weder Weihnachtsbeleuchtung noch -deko, sondern die silvesterliche Variante ... Zugegeben alles ein wenig verwirrend.
Oder relativistisch. Also anti-universell. Also ein Beispiel dafür wenn kulturelles Brauchtum religöse Grenzen überwindet, oder? Naja, jedenfalls was zum Denken zwischen den grenzenlosen Jahren, Festen und Kulturen

Viele Grüße und einen guten Ri-ra-rutsch Richtung 2006 sendet
Giwdul

Samstag, Dezember 24, 2005

İyi noeller!


Weihnachten in İstanbul als Erasmusstudent ist so eine Sache: Die Polen und die Deutschen feiern am Abend des 24sten und lassen das Christkind kommen. Die Franzosen, glaub ich, ebenso. Die Portugiesinnen dagegen erwarten am Morgen des 25sten den Weihnachtsmann. Die Griechen wiederum lassen gar niemanden kommen und feiern irgendwann mitternachts in dunklen orthodoxen Kirchen (glaub ich zumindest, werde das aber heute abend beobachten). Die Georgierinnen anderereseits machen sich mal gar keinen Stress, weil sie eh erst am 7. Januar dran sind. Und die Türken? Die bringen gleich alles durcheinander, kaufen Christbäume, Schmuck und Geschenke und feiern Weihnachten an Silvester.

Und à propos verkehrte Welt: Es schneit hier auch immer wieder mal.

Naja, auch wenn sich die universalistischen Religionen schwer tun mit dem postmodernen Relativismus, ganz über verwischte Grenzen hinwegtäuschen können sie darüber im kosmopolitischen İstanbul jedenfalls nicht. Hauptsache es gilt: jedem das Seine.


Für die vielen lieben Weihnachts-eGreetings sage ich an alle "Çok teşekkür ederim" und wünsche ein frohes, besinnliches und friedliches Weihnachtsfest

Ludwig Paşa

Sonntag, Dezember 11, 2005

Abfent


Doch schon wieder eine Zeitlang her, dass ich das letzte Mal Bericht erstattete... der Advent geht ins Land, Weihnachten, Neujahr und Kurban Bayramı (das islamische Opferfest Anfang Januar) rücken immer näher, und langsam muss sich wohl jeder um Geschenke bzw. Hammel kümmern. Hadi, hadi - Los, los!

Meine Schreibabstinenz der letzten Wochen hatte v. a. mit den Prüfungen zu tun, die ich schreiben musste. In Türkisch eine Klausur mit Listening Comprehension, eigenständigem Textverfassen und ne Katze zeichnen (ohne Witz). In Early Ottoman History gabs ein dreistündiges Quasi-Abitur: zwei Wann, Was, Warum-Essays und eine zeitliche und kontextuelle Einordnung eines Textauszuges (für Insider: der venezianisch-osmanische Friedensvertrag von 1479). Und in Middle East Politics verschaffte mir ein 24-Stunden Take-Home-Paper, in dem nach den Ursachen, Entwicklungen und der Niedergangsthese des arabischen Nationalismus' gefragt wurde, eine fast schlaflose Nacht. Schon tough die Uni hier, eine Umdrehung fordernder als in Good Old Munich.

Seither sind nun sechs Tage vergangen, und mein geplagtes Herzlein fand wärmende Erheiterung: ein paar sonnig-laue Spätherbsttage; eine Adventskalenderpostkarte aus München (dickes Dankesbussi, liebe Elke!); und ganz besonders der elterliche Besuch der letzten drei Tage, der nicht nur viele Sightsseeing-Kilometer sondern auch eine wunderschöne Zeit der Gemeinsamkeit gebracht hat. Dank Euch!
Und herzlichen Dank auch nochmal für "mitgeliefertes" Augustiner, Leberwurst, Geräuchertes, Bauernwürst und Sauerkraut, Plätzchen, Lebkuchen und Stollen. Nicht, dass ich dies alles wahrlich herbeigesehnt hätte, denn ein persisches Sprichwort sagt: "Da wo dein Teppich ist, dort ist dein Heim", und das ist momentan im schwein- und weihnachtslosen İstanbul. Aber ein arabisches Sprichwort sagt, dass "die angenommenen Sitten den angeborenen nur langsam nachgeschritten kommen". Und ich bin ja erst drei Monate hier...

Eine friedliche, stimmungsvolle Adventszeit wünscht Euch
Ludwig