Sonntag, April 23, 2006

Paskalya


Es ging einem schön ein wenig ab diese Jahr - das alljährliche "Froche und gesägnete Ostärn" von Johannes Paul II. Stattdessen also erstmalig für die katholische Weltchristenheit eine bayerische Grußformel von Benedikt XVI. - und für mich Paskalya in und um İstanbul. So stammt das obige Foto vom Schwarzmeerstrand in Kilyos, knappe eineinhalb Stunden nördlich vom europäischen İstanbul. Gemacht hat es Naomi, die am gleichen Tag Geburtstag hatte und zu dessen Feier vorgeschlagen hatte, nach Kilyos zum Picknicken zu fahren. Auf der Fotoseite sind nun die dazugehörigen Bilder von Naomi und Müge, Aycin, Mark und mir zu sehen und zeigen nicht nur eine totenstille Karsamstagsstimmung, die aber wie Naomi meinte auch ein bisschen was von Fellini hatte, "denn wir feiern uns ja". Also gab's Sigara Börek und gefüllte Weinblätter von Aycin, Couscous von Müge, Çorban und Obstsalat von Naomi und von mir grobe Leberwurst von der Oberpfälzer Dosen-Sau, Essiggurken, Silberzwiebeln und Tafel-Meerrettich. Die Flasche Prosecco und der Absolut war außerdem nötig um nicht das Bedürfnis aufkommen zu lassen, auf die in der Osterwoche stattfindenden Midterm-Klausuren lernen zu müssen, und um sich vollends der strahlenden, warmen Sonne zuzuwenden, die auf den menschenarmen Strand am Karadeniz schien.
Tja, Ostern... Stand der Karsamstag atmosphärisch noch also im Zeichen der Tristesse und Melancholie durch die auf Bosporus-Einlass wartenden, unbewegten Tanker, Frachter und Kähne weit draußen sowie wegen der halbversunkenden Schiffwracks und der verlassenen, verrosteten Badeanlage von Kilyos, so gestaltete sich der Sonntag wider Erwarten fröhlich-österlich (obwohl hauptsächlich Geschichtelernen für die Montagsklausur auf dem Programm stand). Stattdessen schaffte ich es, mir um 13.30 Uhr Ortszeit meinen Ostersegen live auf RAI Uno abzuholen und meinen missionarischen Pflichten gegenüber den fragenden muslimischen Stockwerksmitbewohnern nachzukommen, und wurde darüberhinaus noch zum Osterbrunch in den vierten Stock eingeladen. Dort hatten die Polinnen Rosana und Edyta, sowie die Russin Kateryna zwei tschechische Mit-Erasmen und mich eingeladen - und wer hätte gedacht, dass ich auf diesem Wege sogar noch zum Zwiebelschalen-gefärbten und vom polnischen Pfarrer in İstanbul geweihten Osterei und zur Oster-Schokolade gekommen bin. Von katholischer Universalität aber mal wieder keine Spur: Kateryna fuhr gestern zum Ferienbeginn und russisch-orthodoxen Ostern nach Sewastopol auf die Krim und auch unsere Griechen feiern ihr Ágio Pás-cha erst in diesen Tagen. Zu allem Überfluss feierten in diesen Tagen die Juden ihr Pesach und die Muslime begingen ihre heilige Woche, anlässig des 1435sten Geburtstags des Propheten Mohammed. Warum das so ist, das weiß ER nur allein. Aber "wer meint, dass das Begreifen der göttlichen Dinge auf strengen Beweisen beruhe, der hat eine zu enge Vorstellung von der Weite der Barmherzigkeit Gottes", meinte al-Ghazzali (1058 - 1111).

Mutlu paskalyalar, frohe Ostern
Ludwig Paşa