Dienstag, Mai 16, 2006

Sonderbericht des Orientinstituts İstanbul


Seminarreise dreier Forschungsreisender aus dem süddeutschen Raume nach İstanbul

Am Donnerstag, den 11. Mai 2006 hieß das Orientinstitut İstanbul die drei Jungwissenschaftler Dipl. hist. Georg Schulz für interkulturelle Geschichts- und Kommunikationsstudien, Dipl. phys. Thomas Kaindl für geophysikalische und energetische Experimentation und PD Stephan Schmatz für sicherheitspolitische Analyseforschung und Gender Studies in seinen İstanbuler Forschungszentren Willkommen. Vor allem das Einholen von Information über unbekannte Forschungsbedingungen, die Präsentation neuer Forschungsergebnisse sowie Feldstudien im Bereich des interkulturellen Austausches standen auf dem Programm der Reisenden. Die Wissenschaftler absolvierten dabei nicht nur mit großem Interesse und Wissensdrang das vielseitige viertägige Programm, sondern trugen daneben auch mit der Weitergabe eigener Erfahrungen an das hiesige Publikum für die grenzüberschreitende und kulturübergreifende Ausbreitung des universalen wissenschaftlichen Geistes bei.

Nach dem Erfrischungs-Çay im Instituts-eigenen Çaybahçesi in Cihangir ging es zu einem ersten Meeting mit türkischen Jungforschern in das Forschungszentrum Tophane/ Karaköy, worauf ein abendlicher Willkommens-Empfang der Institutsleitung in Beyoğlus Çiçek Pasajı folgte. Die weiteren Tage gestalteten sich wie folgt: Freitags besuchte die Gruppe das geschichtswissenschaftliche Seminar im alten Stamboul, wo insbesondere Dipl. hist. Georg Schulz neueste geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse über die römischen und osmanischen Monumente rund um das ehemalige Hippodrom vorgestellen konnte. Dem Freitag folgte das Übersetzen per Fähre nach Kadıköy am Samstag, sowie eine Dolmuş-Fahrt von dort nach Nişantaşı - Programmpunkte, die v. a. aus der Pespektive metropol-urbaner Verkehrssicherheit von besonderer Bedeutung sind und wofür PD Stephan Schmatz mit seiner Expertise umfassend Einblick in die Materie geben konnte. Ebenso stand PD Schmatz auch für Fragen der Gender Forschung zur Verfügung, zumal dies im interkulturellen west-östlichen Zusammenhang nicht nur große Aufmerksamkeit verdiente, sondern auch auf gesteigertes Interesse von Seiten des Publikums stieß. Der Sonntag stand dagegen ganz im Zeichen geophysikalischer Forschung, was angesichts der spektakulären Kontinentalkollision des Bosphorus' selbstverständlich auch nicht verwunderte. Dipl. phys. Thomas Kaindl konnte auf der angesetzten Schifffahrt nach Anadolu kavağı dabei mit interessanten Informationen aus seinem reichen Fundus geophyikalischer und energetischer Zusammenhänge und Gegebenheiten sowohl das Laien- wie auch das Fachpublikum in Staunen versetzen.
Selbstverständlich benötigte diese reich gefüllte Seminaragenda auch ihre Verschnaufpausen. So wurde ein Rahmenprogramm konzipiert, bestehend aus weiteren Empfänge in trauter Runde, ungezwungenen Gespräche am Kaminfeuer und ein ereignis- und abwechslungsreiches Soiréeprogramm, das es ermöglichen sollte, die neu gewonnenen Einblicke zu vertiefen und in gemütlicher Atmosphäre verabeiten zu können. Ebenso war auch der freie Montag, der von der Seminargruppe vor allem für Besuche auf dem Kapalı Çarşı, dem großen Bazaar genutzt wurde, als Erholungstag geplant worden.

Das Orientistitut hofft, den Wünschen seiner Gäste gerechet geworden zu sein. Es freute sich außerordentlich dem in İstanbul versammelten wissenschaftlichen Nachwuchs sowohl aus Deutschland wie auch aus anderen Teilen der Welt, sei es aus dem Gastland Türkei, aus den Vereinigten Staaten, Iran oder Kolumbien eine Platform für Kontakt, Austausch und Kennenlernen geboten zu haben und hofft, dass hieraus fruchtbare transnationale Kooperation entstehen mag. Das Institut dankt seinen Gästen für ihr Kommen, versichert, dass seine Tore immer offen stehen werden und freut sich, hiermit die Einladung für einen Gegenbesuch im Juli annehmen zu dürfen.

i. A. der Institutsleitung
Ludwig Paşa

Freitag, Mai 05, 2006

Wechselhaft

Wechselhaft ist das Wort der Wochen, denn es trifft derzeit nämlich auf recht viel zu. Am wenigsten überraschend vielleicht: das Wetter - schlicht weg aprilig, einen Tag warm und sonnig, dann wieder kalt und regnerisch. Wenn man sich allerdings ein paar der über drei Millionen blühenden Tulpen ansieht, die das hiesige Gartenbauamt über İstanbul verstreut hat, so ermöglicht dies zumindest den kommenden, wieder gehenden, wieder kommenden Frühling erfühlen bzw. erhoffen zu können. Doch auch die Freude über allerlei von unten Sprießendes schafft es nur bedingt, die angestrengten Nerven über das von oben Kommende zu entspannen. Zwar nahm so manch feuchte Luft meiner leicht Schwarzmeersonnen-verbrannten Haut sowohl Röte wie auch Hitze, fuhr andererseits jedoch meinen Urlaubsplanungen für den Spring Break kräftig zuwider: statt wie üblich zentralanatolischen Sonnenschein vorauszusagen, hieß es für den von mir geplanten Reisezeitraum "Kappadokien - Schauer, zehn Grad" (ebenso wie im restlichen Anadolu). Hätte sich vielleicht eine Gruppe versammelt gehabt, die den Trip zu den Steindomen, Felsformationen und frühchristlichen Eremitenkirchen geplant und durchorganisiert hätte, wäre es vielleicht sogar trotz des Wetters zu der Reise gekommen. Aber auch diesbezüglich wechselte ständig die Schar begeisterungsreicher, aber finanz- oder zeitarmer Interessenten. Immerhin gings mit Nesrin auf einen Tagesausflug nach Edirne - eine nette Fahrt nach Thrakien an die bulgarische Grenze, wo die Moscheen schön und alt und die Atmosphäre ein wenig südbalkanisch scheint. Und Kappadokien: dorthin gehts nun Mitte Mai, wenn sich 6000 Studenten aus dem In- und Ausland auf Einladung und Kosten des türkischen Kultusministeriums dort begegnen sollen... Man darf schon mal gespannt sein auf das Setting und die organisatorischen Großleistungen, die es zu erbringen gelten wird!
Der Ausflug nach Edirne markierte gleichzeitig den Beginn des Besuchertanzes in den İstanbuler Mai: nach den Eltern, die vergangenes Wochenende noch einmal nach dem Rechten sahen, folgen nun Mitte Mai der Besuch von Georg, Stephan und Tom (das "Kulturprogramm" steht bereits, Jungs), und nach der Kappadokienreise werden Teyze Maxi und Enişte Hermann willkommen geheißen. Die İstanbuler Klinke wechselt kräftig die Hände.

All das wird es mir i. Ü. ein wenig schwer machen, den Blog ähnlich aktuell zu halten, wie es der geneigte Leser vielleicht gewohnt war. Zugegeben, nicht nur der Blog wird unter dem umfangreichen Programm zu leiden haben, sondern auch ein wenig die Uni-Attendance (nicht aber die dort zu erbringenden Leistungen, denn hierfür habe ich a) vorausarbeitet oder b) bereits schon die für effizient befundenden Schafsdöner ins Trockene bzw. ins Brot gebracht. Ganz im Sinne des arabischen Sinnspruchs "Wer mit Bedacht handelt, erreicht , was er erstrebt.")

Zwar wird nun mancher denken, dass mein Programm ziemlich voll ist - und, ja, es stimmt ja auch, es ist voll. Nach dem Besucherreigen heißt's lernen für die Final exams, Klausuren und schreiben der Research Papers. Dann beginnt die vierwöchige Reisezeit, die sicherlich wieder zahlreiche neue Erlebnisse, Eindrücke und Gigabytes an Fotomaterial bringen wird bevor es gegen Mitte Juli zurück nach İstanbul und am 19. Juli zurüück nach Alemanya gehen wird. Ja, ich sehe das Ende kommen (auch wenn die Reisewochen selbst noch im Nebel des Ungewissens liegen) - ein Aspekt, der auch meine Stimmung recht wechselhaft macht. Mal freut's mich, was (und jetzt natürlich auch wer) noch alles kommt - mal seh ich das Ende langsam kommen und das stimmt schon seltsam, wenn nicht gar bald traurig...
Doch birgt nicht gar das Ende erst das wichtige Potenzial genannt Zeit? Zeit zum Nach-Denken, Nach-Erzählen, Nach-Träumen nach dem Aufwachen...

"Wenn Du Dein ganzes Leben lang einsammelst, wann willst Du das Gesammelte genießen?" (Tausendundeine Nacht)

Ludwig Paşa